Fundstücke


Vor 200 Jahren geboren



Denn wir und sie, wir sind Feinde
in einem Krieg, den nur einer gewinnt.
Denn sie leben von uns und verrecken,
wenn wir nicht mehr die Kulis sind.
Und das ist es auch, weswegen
ihr euch nicht wundern dürft,
wenn sie sich werfen auf uns, wie der Regen
sich auf den Boden wirft.

Karl Marx ist am 5. Mai 1818 geboren, 2018 jährt sich sein Geburtstag zum 200. Mal.
Das London, in dem Marx 1849 mit seiner vielköpfigen Familie strandet, ist ein teures Pflaster. 42 Taler Monatsmiete müssen die Emigranten für ihre erste schäbige Wohnung in der Dean Street 64 zahlen.



Das ist exakt ein Drittel des Gehalts, das Marx zuletzt als Chefredakteur der Neuen Rheinischen Zeitung bezog. Doch hier in London gibt es keinen Job für ihn. Sein Englisch ist miserabel, und in den Pubs an der Themse treten sich die Philosophen gegenseitig auf die Füße. Ganz gleich, ob sie die alte Welt nur neu interpretieren oder wie Marx auf den Kopf stellen wollen.
Nach der gescheiterten Aufstandswelle der Jahre 1848/49 müssen Tausende Revolutionäre das europäische Festland verlassen. Im Vereinigten Königreich besitzen sie einen rechtlich verbürgten Anspruch auf Asyl. Was allerdings noch lange nicht heißt, dass man sie hier auch gerne sieht. So bleiben die Flüchtlinge unter ihresgleichen. Und der heruntergekommene Proletendistrikt Soho wird zum Hotspot dieser ideologisch und landsmannschaftlich bunt zusammengewürfelten Exilantencommunity.
Heute ist aus dem weltanschaulichen Wirrwarr ein gastronomisches geworden: Koreaner, Japaner, Inder, Italiener, Mexikaner, Chinesen ...
In der Dean Street 28, wo sich das Ehepaar nach einer Zwangsräumung dann mit Kindern und Haushälterin zwei kleine Zimmer teilen muss, bevorzugt man Latein. "Quo Vadis" heißt das Lokal.

1854 bricht in dem Viertel die Cholera aus. Innerhalb von nur zehn Tagen gibt es rund um die Dean Street über 500 Tote. Als Herd der Seuche wird schließlich eine Trinkwasserpumpe in der Broad Street ausgemacht. Keine fünf Gehminuten sind es von dort bis zur Bleibe des mittellosen Denkers. »Rechts und links krepiert der Mob«, schreibt Marx und flucht, weil ihm noch immer das Geld fehlt, um dieser »Scheiße« zu entfliehen.

Eine blaue Gedenkplakette ziert das Haus, in dem die ersten Seiten des Kapitals geschrieben wurden.
»Wenn ich die hiesige Idylle sehe, die doch rein auf Kaffeesäcken, Teekisten, Heringskisten und Ölflaschen basiert, möchte ich zum Mordbrenner werden und mit der Brandfackel durchs Land ziehen!«
Das schreibt die Baronesse, deren Halbbruder inzwischen preußischer Innenminister ist, 1850 aus Holland. Auf Marx’ Geheiß muss sie bei der Verwandtschaft, der Kaufmannsfamilie Philips um ein paar Gulden betteln. Als sie mit leeren Taschen nach Soho heimkehrt, ist ihr Hausmädchen Helena Demuth schwanger. Friedrich Engels, der beste Freund der Familie und zugleich deren treuester Mäzen, übernimmt die Verantwortung. Erst auf dem Totenbett gesteht der Koautor des Kommunistischen Manifests, dass Marx der eigentliche Übeltäter war und er nur einsprang, um dessen Ruf und Ehe zu retten.
Fräulein Demuth, Tagelöhnertochter aus dem Saarland, muss ihren kleinen Freddy in Pflege geben, um weiter in der Dean Street Dienst zu tun. Möglich also, dass die Ärmste die traurige Geschichte heute eher unter #MeToo auf Twitter posten würde.
Wir aber hoffen für Marx, Lenchen und die Weltrevolution, dass Hausherr und Hausmädchen einvernehmlich kopulierten.
In London leben 150.000 Russen, die es seit dem Ende des Kalten Krieges nach London verschlug.









Drei Schüsse in die Luft
Meine Mutter sagt: Junge geh mal schlafen
fahr'n alle in den Urlaub aber ich soll auf die Straße sagt fahr in Urlaub
Ja ok jetzt steh ich hier doch bin allein vor einer Wand
da bin nur ich und sonst nichts nur dieser Stein in meiner Hand
Es ist ein einsamer Krieg gegen den Dreck der mich umgibt
den verfickten Dreck den scheinbar keiner außer mir sieht
aber wie auch wenn niemand rausschaut
lieber auf der Couch mit
Frauentausch oder Bauer sucht Frau

Und ja natürlich nur ironisch und nur so nebenbei
Aber im Vergleich mit den Opfern da ist das eigene Leben schon geil
Ein Hund beißt nicht wenn er bellt und alles ist gut
solange die auf RTL noch bisschen dümmer sind als du

Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Ich zieh in den Krieg aber keiner zieht mit
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Der einzige hier draußen bin leider wieder ich
Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Doch keine Reaktion nur Beschwerden über Krach
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Die Revolution oder Berlin Tag und Nacht

Du wirst nicht entäuscht wenn du nie etwas erwartest
und bevor du etwas falsch machst, dann mach mal lieber gar nichts
Irgendjemand sagt schon irgendwann mal irgendwas
ansonsten musst du halt zufrieden sein mit dem was du hast
Und selbst wenn alles scheiße ist, du pleite bist und sonst nichts kannst
dann sei doch einfach stolz auf dein Land
Oder gib die Schuld ein paar anderen armen Schweinen
Hey wie wäre es denn mit den Leuten im Asylbewerberheim

Und nein ich war nie Anti-Alles ich war immer Anti-Ihr
doch hab schon lange angefangen mich mit Dingen zu arrangieren
Und genau das wollte ich nie bin schon viel zu lange hier
Ich muss hier weg denn ansonsten werde ich irgendwann wie ihr

Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Ich zieh in den Krieg aber keiner zieht mit
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Der einzige hier draußen bin leider wieder ich
Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Doch keine Reaktion nur Beschwerden über Krach
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Die Reolution oder Berlin Tag und Nacht

Allen ist alles egal außer der Handyvertrag
(und ich mal' alles schwarz)
Mit 390 Euro Harz kommt man nicht weit im Biomarkt
(und ich mal' alles schwarz)
Dein verkackter Kommentar war natürlich nur ein Spaß alles klar
(und ich mal' alles schwarz)
Die ganze Nacht besoffene Vollidioten mit ihnen an der Bar
für 7 Dollar die Stunde aber schwarz

Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Ich zieh in den Krieg aber keiner zieht mit
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Der einzige hier draußen bin leider wieder ich
Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Doch keine Reaktion nur Beschwerden über Krach
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Die Revolution oder Berlin Tag und Nacht
Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)


PS
Ein ehemaliger DDR-Bürger, der im Stasi-Knast saß und psychisch krank wurde, besucht 2014 Chemnitz. Als er den Marx-Kopf erblickt, sei es bei bei ihm zur Retraumatisierung gekommen. Deshalb erhebt er eine Petition auf Nischl-Abriss an den Sächsischen Landtag (kein Aprilscherz!). Die AfD ist dafür, alle anderen Parteien lehnen ab.
Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks: "Die Aufarbeitung des DDR-Unrechts ist wichtig, aber der Karl-Marx-Kopf ist ein bedeutendes Wahrzeichen der Stadt, der Kopf ist stadtbildprägend. Die Chemnitzer mögen ihn seit fast 50 Jahren."

Und das ist sein Dickdarm (Kosten nur 23.800 €) - Marx hat ihn im Schillerpark verloren ...
Künstlerisch geholfen haben bei der Darmresektion Anetta Mona Chisa und Lucia Tkácová. Dafür entickelten sie eine skulpturale Installation, die mit dem ikonischen Wahrzeichen der Stadt - dem Karl-Marx-Monument - verknüpft ist. Traditionell wählen Künstler für die Bildnisdarstellung Kopf mit Schultern und Teilen der Brust. Die beiden Künstler sind aber überzeugt, dass nicht allein der Kopf Ort des mensehlichen Bewusstseins ist, sondern ebenso Hände, Herz, Innereien.
Gleichzeitig hinterfragen sie patriarchalische Darstellungsweisen und die Art und Weise, wie ,,Helden“ im öffentlichen Raum inszeniert sind. Ausgehend von der monumentalen Skulptur rekonstruierten sie ein lebenswichtiges Organ des revolutlonären Denkers im Verhältnis 1 zu 24 - seinen Darm. Dessen Größe und Gestaltung richten sich nach dem Denkmal, um eine direkte visuelle Verbindung zwischen Kopf und Organ zu schaffen. Zudem sollen wir die Skulptur nicht nur als Kunstwerk im öffentlichen Raum betrachten, sondern auch nutzen und aktivieren: der Darm, vielschichtiges Symbol des Stoffwechsels, als Sitz- oder Liegefläche.



Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei ...
Vielleicht gibt das Kunstwerk an der Chemnitz für 32.000 € ein schlüssige Antwort auf die Problematik ...
Zum Nischl
Marx' Leben und Philosophie