Mini-Kosmos




... eindrucksvollstes Beispiel
gotischer Innenraumkunst in Deutschland

Wappensaal
Wenzelschloss Lauf/P.


Wappenfries-Panorama
Wappen alphabetisch und Erläuterungen siehe

Viele Historiker bezeichnen ihn als größten römisch-deutschen Kaiser des Spätmittelalters, hochgebildet (Latein, Deutsch, Tschechisch, Französisch und Italienisch sprach er), mächtiger Herrscher und Reformator im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, das bis 1806 nach seiner Goldenen Bulle den Kaiser kürt, Diplomat, Schriftsteller, Kunstmäzen, Schöpfer des Wenzelkults, der noch heute in Böhmen eine zentrale Rolle im religiösen Leben spielt und der wohl einflussreichste europäische Herrscher jener Zeit.

Ab 1356 lässt Kaiser Karl IV. genannt Wenzel auf der Pegnitzinsel in Lauf, das er 1353 zusammen mit anderen Gebieten in Franken und der Oberpfalz erworben hat, seine Burg, sein "Karlstein zu Baiern" errichten, wo er sich auch oft aufhält.



1934 bricht August Rebmann, Lehrer und ehrenamtlicher Archivpfleger, im Wenzelschloss dicken Putz und Farbe Schicht für Schicht von den Wänden, grandiose Entdeckung: im Kaiserzimmer besterhaltene Farbreliefs von 114 Wappen. Die Rettung eines europäischen Kunstwerks gelingt; seitdem besitzt Lauf in der Burg auf der Pegnitzinsel einzigartige Zeugnisse mittelalterlicher Heraldik bedeutender Geschlechter, Territorien, Bistümer und Städte des Königreichs Böhmen - einmalig in Europa.






Lauf, dem Karl IV. Stadtrechte verleiht und wo eine bedeutende Münzstätte entsteht, hat sein Blütezeit an der »Goldenen Straße« von Nürnberg über Sulzbach und Weiden nach Pilsen und Prag.

Wer den Saal durch die Haupttüre betritt, den überwältigt die Geschlossenheit des Raums, sein faszinierender Gesamteindruck, präsent wie vor 700 Jahren, weil unglaublich gut erhalten. In dem Saal mit dem Kreuzrippengewölbe - die ungewöhnlich geformten Ansätze der Rippen fast identisch mit denen der Katharinenkapelle auf Burg Karlstein - herrscht von der Höhe als Schlussstein der böhmische Löwe über seinen Hofstaat, alle Wände und Erker umlaufen die Doppelreihen der Wappen. Sie sind reliefartig in die Sandsteinmauern eingelassen, vorwiegend böhmischer Herkunft, einzigartig.

Noch ist die Forschung nicht abgeschlossen, noch geben die Wappen den Heraldikern so manches Rätesel auf - noch harren in anderen, nicht aufgeschlossenen Räumen weitere Schätze ihrer Entdeckung...
Wenn die Wappen uns Heutige eher in ihrer ästhetischen und dekorativen Funktion beeindrucken, war ihre juristische Bedeutung in der damaligen ritterlichen Zeit an vorderster Stelle, Ausdruck des tief verwurzelten Lehenssystems: Souveränität des Herrschers, auf beiden Seiten, des Herren wie Gefolgsmannes, Besitz, Zugehörigkeit, Anspruch, Ehre und Stolz.
Der Hofstaat des Königs findet im Fries seinen Ausdruck, ist exemplarisch für Wenzels diplomatische Fähigkeiten: er hat sein böhmisches Besitztum tief ins bayerischeTerritorium der Wittelsbacher hinein ausgedehnt, seine Veste steht kurz vor den Toren Nürnbergs, und sein Wappensaal gibt ihm Gelegenheit, seine Machtfülle den Besuchern und Gästen aus aller Herren Länder darzutun , wenn er Hoftag hält in Nürnberg: diese gewaltige Schar dient dem König von Böhmen und Mähren, dem Kaiser des Heiligen Römischen Reischs deutscher Nation.

1349 heiratet Karl IV. Anna, Herzogin von Bayern, Tochter des Kurfürsten Rudolf II. von der Pfalz. Anna ist noch nicht 20, Karl 13 Jahre älter, bereits einmal verheiratet mit Blanche de Valois, aber seit acht Monaten verwitwet. Anna bringt die Burgen Hartenstein, Neidstein, die Märkte Auerbach, Velden und Plech mit in die Ehe, gleichzeitig die Hoffnung, sollte Karls Schwiegervater ohne männliche Nachkommen sterben, dass er die Pfalz erben würde. Am 2. Februar 1353 stirbt Anna, am 4. Oktober Herzog Rudolf II. Und weiter kommt Karl der Umstand zu Pass, dass Rupprecht der Jüngere, der Neffe Rudolfs II. von der Pfalz, vom sächsischen Kurfürsten gefangen gehalten wird. Er kauft Rupprecht frei, bekommt die Vesten Waldeck, Störnstein, Neustadt, Hirschau, Murach und Treswitz als Pfand und nach dem Tode Rudolf II. verzichtet Karl auf Waldeck, Murach und Treswitz, bekommt dafür Lichtenstein sowie die Vesten, Städte und Märkte Sulzbach, Rosenberg, Hartenstein, Neidstein, Thurndorf, Hiltpoltstein, Hohenstein, Lichtenegg, Frankenberg, Eschenbach, Hersbruck, Auerbach, Velden, Pegnitz, Plech und Lauf, den Veldener Forst, die Vesten Floß und Parkstein, Stadt und Herrschaft Bärnau. Das "Land zu Baiern" oder "Neuböhmen" rundet er 1360 mit Burg und Herrschaft Rothenberg ab.












Systematisch lässt Wenzel sie anordnen: Fürsten, Herren und Edelleute des Landes, erweitert um Städte und kirchliche Körperschaften.
Im Norden auf der Seitenwand links die Wappen der Markgrafschaften.
Rechts im Norden die Wappen der geistlichen Würdenträger.
Auf der Achse vom Hofstaat über den böhmischen Löwen oben trifft unser Blick auf das Relief des heiligen Wenzel an der Südwand.

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Eindrucksvoll unterstreicht diese Anordnung auf ungewöhnliche Weise seine Bedeutung: Wenzel nicht nur Nationalheiliger Böhmens, sondern auch Namenspatron Karls IV. Auf der Ostwand gehen die Wappen weiter mit Prag, Breslau und Kuttenberg...




















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1356 verkündet Karl IV., 1355 in Rom zum Kaiser gekrönt, auf dem Nürnberger Hoftag die später wegen ihres goldenen Siegels so genannte Goldene Bulle, wohl wichtigstes „Grundgesetz“ des Heiligen Römischen Reiches. Sie regelt Wahl und Krönung der römisch-deutschen Könige durch die Kurfürsten.
Ziel Karls ist Stabilisierung der Reichsstrukturen, um Unruhen und Machtkämpfe um die Königswürde zu vermeiden und eine Absage an ein päpstliches Mitspracherecht. Den Fürsten muss Karl Zugeständnisse an ihre Territorialmacht einräumen - damit sichert er sich selbst viele Privilegien im Herrschaftszentrum Böhmen.

Umfassend und auf Dauer sind Rechte und Pflichten der Kurfürsten bei der Königswahl besiegelt, Stimmenmehrheit eine wichtige Neuerung wie die jährliche Versammlung aller Kurfürsten zur Beratung mit dem Kaiser.
Immunität der Kurfürsten, Vererbung des Titels, Münz- und Zollrecht, Ausübung der Rechtsprechung, Judenregal (Pflicht, das Judentum gegen Schutzgeld zu beschützen - hiergegen soll Karl IV. selbst massiv verstoßen) sind weitere Eckpunkte der Bulle.
Die Goldene Bulle kodifiziert die Entwicklung zur Territorialisierung, Grundlage des schleichenden Machtverlusts des Königs und Dauerkonflikt zwischen Zentralgewalt und zentrifugalen Kräften. In England oder Frankreich entstehen Staaten, beherrscht von einem mächtigen monarchischen Hof als Zentrum. Im Hl. Römischen Reich herrschen keine sprachliche Einheitlichkeit und Normierung, vielmehr autonome Territorien, Landesbeamte, 1648 verliert die Zentralgewalt noch weiter an Kompetenz: Bis heute ist Deutschland Föderalstaat, wo Bundesländer erheblichen politischen Einfluss haben.

Durch geschicktes politisches Taktieren, strategische Eheschließungen und nicht zuletzt durch die Veräußerung königlicher Privilegien, sorgt Karl IV. für Frieden und konsolidiert seine Herrschaft. Als das Reich im Innern gefestigt ist, bricht er 1354 zu einem Italienzug auf und erringt die Kaiserkrone.
Unter Karl IV. erlebt Mitteleuropa eine kulturelle Blüte. Aber seine Regierungszeit steht gleichzeitig im Schatten der schlimmsten Katastrophe des Mittelalters, der Pest. Der "Schwarze Tod" rafft über ein Drittel der Bevölkerung des Reiches hinweg. "Schuldige" sind rasch gefunden: die Juden. Als Geldverleiher sind sie zwar unverzichtbar für die mittelalterliche Wirtschaft, aber gleichzeitig verhasst und sozial ausgegrenzt.
Als angebliche "Brunnenvergifter" macht man die Juden für die verheerende Seuche verantwortlich und verbrennt sie zu Tausenden. Dass mit den Juden oft auch ihre Schuldscheine verbrennen, wirft ein bezeichnendes Licht auf die wahren Motive der Täter. Karl IV. versagt in der königlichen Pflicht, seine Untertanen vor den Übergriffen zu schützen, profitiert sogar von der Ermordung der Juden.

The Männleinlaufen (running of the little men) - steht in einem Reiseführer - begins daily at noon on the gable of the Frauenkirche. The clockwork moves the little figures, which represent seven prince electors dressed in red and Karl IV.
Aus derselben Zeit findet sich ein bedeutender Fries ähnlicher Wappen (69 an der Zahl) nicht weit von Lauf, nämlich in der Kirche der oberpfälzischen Burg Kastl.





Und: Der Betreiber dieser Webseite hielt jahrelang als (Kgl.) Bayerischer Amtsrichter seine Sitzungen in diesem Saal ab!

PS
Von 1985 bis 2013 nutzt die Nürnberger Akademie der Bildenden Künste das Wenzelsschloss als Außenstelle. Derzeit steht es leer, es ist für Hochzeiten zu buchen und besichtigen.



















Karl IV. 1316 - 1378



1316
Geburt Karls IV. Sohn des böhmischen Königs Johann von Luxemburg

1317
Böhmens Hochadel droht Johann von Luxemburg, einen Habsburger zum römisch-deutschen König zu wählen

1319
Vereinigung von Schweden und Norwegen

1320
Die Schotten erklären ihre Unabhängigkeit von England

1322
In der Schlacht bei Mühldorf besiegt Ludwig der Bayer Friedrich den Schönen

1323
Papst verweigert Ludwig aus machtpolitischen Gründen die Anerkennung und überzieht ihn mit Ketzerprozessen

1324
Papst verhängt Bann über Ludwig den Bayern

1326
Ludwig unterstützt die antipäpstliche Opposition in Italien

1327
Ludwig zieht nach Italien und bleibt dort bis 1330

Ludwig wird zum König von Italien gekrönt

Nach dem Mord am englischen König Eduard II. durch seine Barone Eduard III. Nachfolger

1328
Meister Eckhart stirbt während eines Inquisitionsprozesses

Ludwig lässt sich zum ersten Mal in der Geschichte nicht vom Papst, sondern von Volksvertretern zum Kaiser krönen

Ludwig erklärt Papst Johannes XXII. für abgesetzt und setzt als Gegenpapst Nikolaus V. ein

1330
Tod Friedrichs des Schönen

1331
Karl IV. begibt sich nach Italien an die Seite seines Vaters, Johanns von Luxemburg

Die Erfindung der Rad-Unruh ermöglicht den Bau komplizierter Uhren

In China bricht die Pest aus und kostet 65 Prozent der Bevölkerung das Leben

1335
Installation der ersten Turmuhr mit Ziffernblatt in Mailand

1337
Bündnis von Ludwig mit England gegen Frankreich und den Papst

England beansprucht den französischen Thron als Erbe: Beginn des Hundertjährigen Krieges zwischen Frankreich und England

1338
Heuschreckenplage

Englisches Parlament in Ober- und Unterhaus geteilt

Kurfürsten einigen sich im Kurverein von Rhense auf Unterstützung Ludwigs und erklären die Unabhängigkeit der Königswahl vom Papst

Ludwig verfügt ein Gesetz, nach dem die Kaiserwahl allein aus der Königswahl abzuleiten sei und keiner Zustimmung des Papstes bedarf

1340
Eduard III. erklärt sich zum König von Frankreich

1341
Ludwig beendet das Bündnis mit England, bricht mit dem Kurverein von Rhense und schließt einen Freundschaftsvertrag mit Frankreich

1342
Schwerste bis heute bekannte Hochwasserkatastrophe, das "Magdalenenhochwasser"

1343
Die deutschen Kurfürsten wollen Ludwig absetzen und fassen Karl IV. als Nachfolger ins Auge

1344
Gründung der Hanse als Städtebund

1346
Wahl Karls IV. zum römisch-deutschen Gegenkönig

Belagerung der Stadt Calais durch die Engländer

In der Schlacht von Crécy besiegen die Engländer die Franzosen, Karl IV. muss fliehen, sein Vater Johann fällt

1347
Die Pest erreicht Europa, etwa die Hälfte der europäischen Bevölkerung fällt ihr zum Opfer.

Calais kapituliert. Sechs Bürger lassen sich stellvertretend für die Stadt gefangen nehmen und werden begnadigt ("Die Bürger von Calais")

Karl IV. König von Böhmen

Kaiser Ludwig von Bayern, mächtiger Widersacher Karls IV., stirbt bei Bärenhatz

1348
Eduard III. von England stiftet den Hosenbandorden

Karl IV. beginnt mit dem Bau der Prager Neustadt

Gründung der ersten Universität des Heiligen Römischen Reiches in Prag

Der "Falsche Woldemar " wird von Karl IV. mit der Mark Brandenburg belehnt

1349
Höhepunkt der Pestepidemie, verbunden mit Massakern an Juden

Zweite Krönung Karls IV. zum römisch-deutschen König

Karl IV. unterzeichnet Freibrief zur Ermordung der Nürnberger Juden

1350
Die Technik der Papierherstellung gelangt aus dem Orient nach Europa

Vereinigung Schlesiens und der Lausitz mit Böhmen

1353
Pestepidemie in Europa flaut ab

Karl IV. erwirbt die Oberpfalz

1354
Karl IV. zieht nach Italien

1355
Krönung Karl IV. in Mailand zum König von Italien

Karl IV. wird in Rom zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt

1356
Erlass "Goldene Bulle"

1357
Grundsteinlegung für Karlsbrücke in Prag

1358
Bauernaufstände in Frankreich als Folge des Hundertjährigen Krieges

1360
Friede von Brétigny zwischen England und Frankreich

1361
Erster Hansekrieg gegen Dänemark

Zweite große Pestepidemie wütet in Europa

1362
Schwere Sturmflut an der Nordsee mit 200 000 Toten, Sylt wird Insel

1363
Magdeburger Dom, erste gotische Kirche Deutschlands, geweiht

1365
Karl IV. wird König von Burgund

Friede von Vordingborg beendet den Ersten Hansekrieg

1368
Zweiter Italienfeldzug Karls IV.

Im Zweiten Hansekrieg erobert hansische Kriegsflotte Kopenhagen und zerstört die Stadt

1369
Truppen Karls V. von Frankreich siegen über das mit England verbündete Kastilien und führen den Hundertjährigen Krieg fort

1370
Beginn des Baus der Bastille in Paris

Friede von Stralsund beendet den Krieg zwischen den deutschen Hansestädten und Dänemark

1373
Karl IV. erwirbt Mark Brandenburg von den Wittelsbachern

1377
17. Januar Papst Gregor XI. zieht von Avignon wieder nach Rom: Ende der "Babylonischen Gefangenschaft" der Kirche

1378
"Abendländisches Schisma" als Folge der Wahl zweier Päpste (in Rom und Avignon)

Nach dem Tod Karls des IV. sein Sohn Wenzel römisch-deutscher König