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Jahrhunderte schon reitet er namenlos durch den Bamberger Dom Richtung Sizilien,
zu seinem verlorenen Vater, der ihm die Kindheit geraubt,
über sieben Jahre in Kerkern gehalten und in den Freitod getrieben hat:
Heinrich, Sohn Friedrichs II.
Sinnbild für Endzeit-Erwartung,
Ausdruck damals wie heute gehegter Hoffnung auf den Zusammenbruch
des Islams und Sieg des Christentums, weniger durch blutige Kreuzzüge
als durch Mission.
Nicht träumen lassen hätte sich Lukas, Steinmetzgeselle mit falschem Brief, als er
für den mächtigen Dom, an dem Europas beste Baumeister arbeiten,
das Abbild des Königs erschuf, dass er dabei, wie Diekmann schreibt, sein Leben riskiere.
Sollten diese Papiere die Jahrhunderte überdauern und in
die Hände von Historikern fallen, wird man sie, da bin ich, Friedrich, sicher,
als Fälschung abtun...
Nun sitze ich grübelnd am Schreibtisch, bringe aber nichts anderes zuwege
als zum Heinrich-Kapitel noch dies Postscriptum:
Nachdem ich den Sohn in den Kerker hatte werfen lassen,
heiratete ich zur selben Zeit die ihm als Kind von seinem Erzieher,
dem Erzbischof von Köln, zugedacht gewesene junge und schöne Tochter
des englischen Königs Johann ohne Land, Isabella Plantagenet. Ende des Postscriptums...
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Vater, Sohn und Heiliger Geist -
Unterwelt, irdische Welt und All -
Tier, Pflanze, Mensch -
Hölle, Leben, Himmel -
Der Blattdämon stützt die Konsole am Nordpfeiler des Doms zu Bamberg,
auf der schwerelos der Schimmel den steinernen Reiter trägt,
unter dem freischwebenden Baldachin. Des Reiters leerer Blick geht
in die Ferne über jeden hinweg. Durchs Fürstenportal soll er hereingeritten sein,
das Pferd angehalten haben, dessen Beinstellung deute Stehenbleiben an...
»Er ließ sich vom Pferd fallen und war wie tot.« Von jenem Tag an, im Jahre '42, als ich diese aus
Cosenza kommende Nachricht erhielt, mit ihrer Ungewissheit über die Art seines Todes:
ob es Selbstmord aus Schwermut war oder Herzversagen
aus kerkerbedingter Schwäche, jedenfalls aber mit der Gewissheit seines Endes,
von jenem Tag an datiert sich der Anfang meines inwendigen Sterbens.
Ich zeugte ihn mit dem Übermut des nachpubertären sizilischen
Königleins und tötete ihn mit dem Hochmut des omnipotenten römischen Cäsars:
Heinrich, meinen ersten Sohn, aus der spanischen Konstanze,
meiner ersten Frau.
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