Assad-Clan in den frühen 1970ern:
hinten: Hafiz al-Assad
vorn v. l. n. r.: Baschar, Maher, Anisa Makhlouf, Majd, Bushra, Basil


Syrien
Fragen
Stand: Oktober 2014

Syrien ist derzeit Schauplatz mehrerer Kriege.
Das Land - etwa halb so groß wie die Bundesrepublik - hat 21 Mill. Einwohner (2,6 Mill. ins Ausland geflohen, 9 Mill. auf der Flucht), liegt in Vorderasien, seine Hauptstadt ist Damaskus, wo seit einem Staatsstreich 1963 der Assad-Clan herrscht.
Das Land grenzt im Westen an den Libanon und das Mittelmeer (etwa 200 km Küstenline), im Norden an die Türkei, im Westen an den Irak, im Süden an Jordanien und Israel.
Syrien zählt zu den dichtest besiedelten Ländern im Nahen Osten. Die Bevölkerungsgruppen definieren ihre ethnische Zugehörigkeit über Sprache und Religionszugehörigkeit. Die Mehrheits bilden Araber (über 90%, überwiegend Sunniten) - sie fühlen sich mit der arabischsprachigen Bevölkerung der Nachbarländer kulturell als Gemeinschaft.
Die Kurden, zweitgrößte Bevölkerungsgruppe (geschätzt etwa 9%), kommen meist zwischen 1924 und 1938 aus der Türkei ins Land, als dort Kurdenaufstände stattfinden, die das Militär niederschlägt, ein kurdischer Siedlungsschwerpunkt verläuft entlang der türkischen Grenze. Knapp die Hälfte der syrischen Kurden lebt in der Region Kurd Dagh nordwestlich von Aleppo, wo sie - wie in der nordöstlichen Provinz al-Hasaka - die Mehrheit stellen.
Die meisten Armenier kommen zwischen 1925 und 1945 als Flüchtlinge aus der Türkei, sie gehören überwiegend der Armenischen Apostolischen Kirche an oder sind armenisch-katholisch.
Hinzu kommen etwa 1/2 Mill. palästinensische Flüchtlinge und (seit dem Irakkrieg 2009) 200.000 Flüchtlinge aus dem Irak.
3/4 der Bevölkerung sind sunnitische Muslime, wobei die Einwohner von Hama, Palmyra und anderen kleineren Städten als besonders konservativ gelten, die westlich orientierte Hafenstadt Latakia zeigt sich liberal. In den 1980er Jahren trägt nur eine Minderheit der Frauen in Damaskus das Kopftuch, 2006 die Mehrheit.
Alawiten (Nusairier) machen etwa 12 % aus. Viele Militäroffiziere und ein Großteil der herrschenden politischen Elite entstammen den Alawiten, auch die Familie Assad. Schiiten mit 2 % Prozent und Chrisiten mit etwa 10% sind kleine Minderheiten. Die Jesiden, meist den Kurden zugerechnet, eine religiöse Minderheit aus einigen Tausend Mitgliedern, leben in den Bergen und in Dörfern.
Etwa 400 Jahre lang ist Syrien Teil des Osmanischen Reichs, zu dem es bis 1918 gehört. Die Araber kämpfen im Ersten Weltkrieg auf seiten der Entente gegen die Türkei, in der Hoffnung auf die von ihnen befreiten Gebiete.


Faisal, der Haschemiten-Prinz,

will ein Königreich Großsyrien, aber Frankreich erhält das Völkerbundmandat für Syrien (und den Libanon) und gibt - getreu seiner kolonialen Tradition - Syrien erst 1946 frei.
Ab da steht die syrische Geschichte ganz im Zeichen des Konflikts Araber/Israelis. Der Überfall auf Israel unmittelbar nach dessen Neugründung endet 1949 mit schweren Niederlagen der arabischen Streitkräfte und stürzt Syrien für 20 Jahre in eine Dauerkrise: Zahlreiche Staatsstreiche, der Zusammenschluss mit Ägypten, 1963 die Machtergreifung der Baath-Partei, der 6-Tage-Krieg gegen Israel 1967 (Folge: Verlust der Golanhöhen), allgemeine Niedergeschlagenheit ...
Als Sieger aus den jahrelangen innnerparteilichen Machtkämpfen der Baath-Partei geht 1970


Hafiz al-Assad

hervor. Er wird 1971 mit 99,2 % Staatspräsident. 1973, im Jom-Kippur-Krieg, erobert die syrische Armee kleine Teile der Golanhöhen zurück.
1982 kommt es zu einem von Muslimbrüdern initiierten Aufstand in Hama. Die Armee greift mit Panzern und Luftwaffe in die heftigen Kämpfe ein, zerstört große Teile der Altstadt,

Opfer etwa 1.000 Soldaten und zwischen 10.000 und 30.000 Zivilisten: das "Massaker von Hama".


Rifaat al-Assad, Onkel des heutigen Präsidenten

befehligt den Bombenbeschuss.
Umfangreiche Verhaftungen folgen, die fundamentalistische Opposition ist geschwächt, Assads Machtposition gesichtert. Während des 1. Golfkrieges 1980 bis 1988 unterstützt Syrien den Iran gegen den Irak unter Saddam Hussein. Nach dem Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait während des 2. Golfkrieges leistet Syrien dem Emirat Militärhilfe.
Nach dem Tod Hafiz al-Assads wird 2000 sein zweitjüngster Sohn


Baschar al-Assad

zum Präsidenten gewählt.
Der "Damaszener Frühling" beginnt: Ziel sind demokratische Reformen ...
600 politische Gefangene kommen frei, Internet wird zugänglich. 2004, nach Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitsdiensten in Qamishli, Amuda und Afrin, werden hunderte Kurden, darunter auch Kinder, verhaftet und getötet.
In das Attentat auf


Rafiq Hariri

den ehemaligen Regierungschef des Libanon 2005 in Beirut mit 22 Opfern, so deuten UNO-Untersuchungen (noch nicht abgeschloosen) an, soll Syrien verwickelt sein.



Wer ist Baschar al-Assad?



Der ältere Bruder Basil, nicht Baschar, ist für den Präsidentenposten vorgesehen und als solcher im Dunstkreis und Personenkult des Vaters immer präsent, bis Basil 1994 tödlich verunglückt. Deshalb auch ist über Baschar wenig bekannt. 1965 als Sohn von Hafiz al-Assad, eines Offiziers geboren, der im Jahr nach seiner Geburt an einem Putsch teilnimmt, zum Verteidigungsminister aufsteigt, 1971 nach dem Präsidentenamt greift und Syrien bis 2000, wo er stirbt, regiert und nationaler Mythos im Land ist. Die Beziehung zu seinem Vater ist distanziert. Psycholgoen sehen darin und deshalb, weil er nur zweite Wahl ist, die Ursache für Baschars ungewöhnlich starken Drang, sich fortlaufend vor sich selbst und anderen zu beweisen.
Die Schulbücher, die Baschar das Weltbild vermitteln, zeichnen ein einseitiges Geschichtsbild des guten und edlen Arabers auf der einen Seite und der bösen, verschwörerischen Kolonialmächte und Juden auf der anderen Seite. Er studiert Medizin, auch in London, wo er eine Ausbildung zum Augenarzt macht. Während dieser Zeit lernt er seine spätere Ehefrau, die Finanzanalystin Asma (Emma) Fauaz al-Akhras kennen, eine in Großbritannien geborene und aufgewachsene Syrerin aus einer Familie wohlhabender Sunniten.
Technisch begabt, entwickelt Baschar eine besondere Vorliebe für Computer, gründet die Syrian Computer Society (SCS) und wird ihr Präsident - seit seiner Machtübernahme gilt sie als wichtige Kaderschmiede.
Nach des Bruders Tod baut der Vater den zweiten Sohn zum Nachfolger auf, Baschar macht einen Schnellkurs als Panzerkommandant und rückt im Jahrestakt in der militärischen Hierarchie auf.
Kurz nach des Vaters Tod 2000 wird die Verfassung geändert (Mindestalter für den Präsidenten von 40 auf 34 herabgesetzt), er wird einstimmig zum Generalsekretär der Baath-Partei gewählt, General und Oberkommandierender der Streitkräfte und mit 97,3 % zum Präsidenten gewählt.


2000 heiratet Baschar al-Assad Asma Fauaz al-Akhras, sie haben drei Kinder.
Die Hoffnungen mit Assads Machtübernahme auf eine politische und wirtschaftliche Öffnung des Landes scheinen sich anfangs zu erfüllen. Aber dem "Damaszener Frühling" (Redefreiheit, demokratische Reformen) folgt der "Damaszener Winter", Schauprozesse gegen Intellektuelle mit Gefängnis (Fortschritt, zu Hafiz al-Assads Zeiten verschwinden sie meist spurlos!), Assad fürchtet um die Stabilität des Regimes, er verjüngt die Baath-Partei, nur innerhalb der Partei dürfen Anregungen und Kritik erarbeitet und formuliert werden. 2006, am Ende des Libanonkriegs, spricht Assad vom siegreichen Widerstand der Hisbollah und nennt Israel einen Feind, mit dem es keinen Frieden gebe, 2007 wird Assad mit 97,6 % auf weitere 7 Jahre gewählt.
2011 (nach Protesten in Ägypten) fordert Assad ein Umdenken unter den arabischen Machthabern hin zu mehr Liberalität. Er betont die Rückständigkeit Syriens im zivilgesellschaftlichen Diskurs, deshalb sei Zurückhaltung gegenüber vollen demokratischen Rechten fürs Volk geboten, ein Übergreifen des Arabischen Frühlings auf Syrien sei unwahrscheinlich.

Kann das syrische Volk auf Asma al-Assad hoffen? Schließlich gibt die Diktatoren-Gattin dem Regime in Damaskus nach der Hochzeit ein moderneres Antlitz, gern im Chanel-Kostüm und auf Christian-Louboutin-Schuhen. Die in London 1975 geborene Tochter eines syrischen Kardiologen ist gebildet, hat Abschlüsse in Informatik und französischer Literatur, arbeitete als Investmentbankerin - auch für die Deutsche Bank. An der Staatsspitze inszeniert sie sich als Reformerin. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der die Assads im Elysée-Palast empfängt: "Wenn er eine solche moderne und aufgeschlossene Frau hat, kann er so übel nicht sein."
"Vogue" feiert Asma 2011 als "glamourös, jung, sehr schick", als die "frischeste und magnetischste aller First Ladys", ja als "Wüstenrose" - zu der Zeit, da sich das syrische Volk gegen das Assad-Regime erhebt. Hacker veröffentlichen die Mail-Kommunikation des Präsidentenpaares: Sie ordert Highheels, Möbel, eine Ming-Vase, während ihr Mann das Volk zusammenschießen lässt.

Assad-Clan



Bürgerkrieg: Wer kämpft gegen wen?

Im März 2011 greift der Arabische Frühling auf Syrien über. Assad reagiert mit zunehmender brutaler Gewalt. Der UN-Sicherheitsrat verurteilt Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegen Zivilisten. Bis Januar 2014 sterben über 100.000 Menschen, darunter unzählige Kinder. Assad lässt Menschen in Lagern foltern und vergewaltigen, Navi Pillay, die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, empfiehlt die Anrufung des Internationalen Strafgerichtshofs.
Im Mai 2011 verhängt die EU-Kommission gegen Assad, seine Ehefrau Asma al-Assad und weitere Angehörige des Assad-Clans ein Handelsembargo, die Arabische Liga Wirtschaftssanktionen und Sanktionen gegen Mitglieder des syrischen Regimes.
Die Ehefrauen des deutschen und des britischen UN-Botschafters apellieren in einem Internet-Video an Asma al-Assad, First Lady Syriens, sich für ein Ende des Blutvergießens einzusetzen.

2012 warnt Assad in einem Interview angrenzende Länder vor Einmischungen: Wer in Syrien Chaos schüre, könne sich damit selbst infizieren.
Im Juni 2014 gewinnt Assad mit 88,7 % die Präsidentenwahl. UN, EU und USA bezeichnen die Wahl als "Farce". Deutschland und Frankreich verbieten, in der syrischen Botschaft im jeweiligen Land an der Wahl teilzunehmen.
Im Bürgerkrieg kämpfen verschiedene Oppositionsgruppen gegen Regierungstruppen. Interessengruppen aus dem Ausland lassen Geld und Waffen ins Land strömen, ausländische Freiwillige und Söldner zieht es nach Syrien. Die ursprüngliche Motivation der Opposition, die Demokratisierung Syriens zu erreichen, tritt in den Hintergrund, wichtiger werden religiöse und ethnische Gründe.
Die UNO bezeichnet die durch den Bürgerkrieg ausgelöste Flüchtlingskrise als die schlimmste seit dem Völkermord in Ruanda in den 1990er Jahren.

Die Zersplitterung der bewaffneten Opposition ergibt ein vollkommen unübersichtliches Bild, entzieht sich jeglicher Kontrolle. So beginnen etwa private Sponsoren aus der Golfregion, gezielt Milizen zu unterstützen, die ihren eigenen, meist radikalen religiösen Ansichten am ehesten entsprechen. Der amerikanische Geheimdienst zählt 2013 etwa 1.200 Oppositionsgruppen, von kleinen, lokalen Gemeinschaften, gegründet etwa zur Sicherung der Wasserversorgung eines Ortes bis zu internationalen, grenzüberschreitend agierenden islamistischen Terrororganisationen.
Die meisten ausländischen Journalisten werden kurz nach Beginn des Aufstandes ausgewiesen, die Berichterstattung über den Aufstand stammt überwiegend von Aktivisten vor Ort und internationalen Organisationen. Die Regierung schiebt die Proteste islamistischen Extremisten, ausländischen Verschwörern und Terroristen in die Schuhe, der Aufstand sei mit militärischer Gewalt niederzuschlagen.

Freie Syrische Armee (FSA)

Im Juli 2011 gründen


Riad al-Asaad

(Sunnit, nicht vewandt mit dem Präsidenten, verliert nach Bombenattentat in Miadeen ein Bein) und andere ehemalige Offiziere der Armee die Freie Syrische Armee, die sich vor allem aus desertierten Soldaten zusammensetzt. Es kommt zu zahlreichen Angriffen auf staatliche Sicherheitskräfte.
Getragen von der sunnitischen Mehrheit sieht sich die FSA als bewaffneter Arm der Opposition. Ihre Zusammensetzung ist sehr heterogen, Assad bestreitet ihren Armee-Status. Die Golfstaaten unterstüzten den Nationalrat und die FSA, beide haben ihren Sitz in der Türkei.
Die FSA agiert besonders in der Gegend von Homs und Idlib. Ziele sind Sturz der Regierung und Schutz der Zivilbevölkerung. Beim strategischen Vorgehen versucht die FSA, die Küstenregion an der Linie Qusseir, Homs, Rastan, Hama und Idlib vom Landesinneren abzutrennen. Dieses "Großlibanon" soll dann, vergleichbar der Rolle Bengasis im libyschen Bürgerkrieg, Aufmarschgebiet für weitere Kämpfe werden.
Die USA unterstützen zunächst die Gründung von Militärräten, um die Ordnung in Gebieten aufrechtzuerhalten, aus denen die Regierungstruppen zuvor vertrieben worden sind. Diese Konstrukte zerfallen bald, sind seit Anfang 2013 in zahlreiche Kleinstverbände zersplittert, unter denen auch zahlreiche Kriminelle agieren, die die Zivilbevölkerung drangsalieren, was wiederum religiös motivierten Gruppierungen zu mehr Ansehen auf Seiten der Rebellen verhilft, weil sie sich nicht an Plünderungen beteiligen. Die Befehlskette auf Seiten der Rebellen ist deutlich gelockert; so ist mit vielen ihrer Verbände einzeln zu verhandeln, um etwa Hilfslieferungen durch ihr Gebiet zu transportieren.



Syrischer Nationalrat und Nationalkoalition für Oppositions- und Revolutionskräfte

Der Nationalrat besteht mehrheitlich aus nicht in Syrien lebenden Mitgliedern, auch die Muslimbrüder sind vertreten. Er bildet sich im Oktober 2011 in Istanbul als Dachorganisation mit dem Ziel, die Opposition zu einen, spricht sich gegen ein militärisches Eingreifen des Auslands aus, fordert aber später eine Flugverbotszone, im November eine an die Türkei angrenzende "Schutzzone" auf syrischem Territorium unter internationalem Mandat.
Mit Gründung der Nationalkoalition für Oppositions- und Revolutionskräfte im November 2012 bildet der Syrische Nationalrat einen Teil der Nationalkoalition, die aber nur teilweise durch die militärischen Opposition anerkannt wird, weil sie einen islamistischen Staat erzwingen will.

Nationales Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC)

Das NCC wird im September 2011 gegründet, verfolgt mit dem Syrischen Nationalrat einige gemeinsame Positionen, wirft diesem jedoch vor, von westlichen Staaten beeinflusst zu sein, verfolgt einen säkularen Kurs und besteht unter anderem aus linken und kurdischen Gruppen.

Lokales Koordinationskomitees (LCC)

Dort oder in der Generalkommission der Syrischen Revolution sind Aktivisten vertreten, die vor Ort Proteste organisieren, oft verbunden mit dem Nationalrat oder dem NCC.

Seit Juni 2013 sind (zur Vorbereitung einer Freidenskonferenz) im Wesentlichen zwei Blöcke der Opposition entstanden: Der eine unterstützt den von Katar und einigen westlichen Staaten bevorzugten liberalen Mustafa al-Sabbagh, während der andere von der Muslimbrüderschaft mit der Nationalkoalition dominiert wird. Seit Juli 2014 ist


Hadi el-Bahreh Präsident.

Hisbollah



Diese islamistische Organisation tritt erst spät in den offenen bewaffneten Kampf auf seiten des Assad-Regimes ein. Schiitisch dominiert, hat die Organisation ihre Basis im Libanon und wird in erster Linie vom Iran unterstützt. Anführer Hassan Nasrallah im Mai 2013: Seine Organisation werde ungeachtet der Opfer bis zum Ende an der Seite des syrischen Regimes kämpfen. Er verspricht tausenden Kämpfern seiner Organisation den Sieg über die Radikal-Sunnitisch-Islamistische-Rebellen.

Mudschahidin, IS



Die al-Nusra-Front, zeitweilig zweitgrößte Oppositionsgruppe neben der FSA, tritt Anfang 2012 in Erscheinung. Al-Qaida-Anführer Aiman az-Zawahiri versucht seit Beginn der Proteste im Sommer 2011, seine Organisation als Teil der Bewegung gegen das syrische Regime zu stilisieren, indem er den Konflikt zur Auseinandersetzung mit den Staaten Israel und den USA verklärt, denen er die Unterstützung der Regierung Assad nachsagt. Die Gruppierung Islamischer Staat (IS) etabliert sich 2013 nach Einschätzung von Beobachtern als dominante militärische Präsenz im Norden Syriens.
Oppositionsgruppen sollen - oft ohne deren Wissen - von al-Qaida unterwandert sein. Beobachter sind der Auffassung, dass sunnitische Islamisten den Großteil der bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Regierungstruppen austragen. Wahrscheinlich falle diesen Gruppen nach einem Abgang Assads der beherrschende politische Einfluss zu.
Im Juli 2013 brechen Kämpfe zwischen IS und der FSA aus. FSA erklärt IS den Krieg, nachdem dieser einen Kommandeur der FSA getötet hat.
Schwere Gefechte finden zwischen islamistischen Rebellen der al-Nusra-Front und Kurden im Juli 2013 statt, als kurdische Volksverteidigungseinheiten (YPG) die al-Nusra-Front aus der türkisch-syrischen Grenzstadt Ras al-Ain vertreiben.

Der multireligiöse und multiethnische Staat Syrien zerbricht an den enormen Fliehkräften arabischer Glaubenskonflikte und Machtphantasien, die stärker denn je zutagetreten.



Was bedeutet der Krieg für andere Länder, was für die Kurden?

William Hague, britischer Außenminister, im Mai 2013: Syrien sei zur ersten Adresse für Dschihadisten aus der ganzen Welt aufgestiegen. Im Frühjahr 2013 kämpfen schätzungsweise 100 Freiwillige aus Großbritannien und den Niederlanden, rund 80 aus Frankreich, mindestens 70 aus Belgien und mehr als 60 aus Deutschland gegen das Regime, zumeist für die Errichtung eines islamischen Gottesstaates. Im Oktober 2013 schätzt der Bundesverfassungsschutz die Zahl der aus Deutschland stammenden Personen im Kriegsgebiet auf 200 mit steigender Tendenz. Der stellvertretende syrische Außenminister Faisal al-Miqdad gibt bekannt, westliche Geheimdienste hätten Interesse an einer Sicherheitskooperation bekundet.
Zum Jahresbeginn 2014 schätzt Israel die Zahl ausländischer Dschihadisten auf 6.000 bis 7.000, davon 4.500 aus der arabischen Welt und 1.000 aus Europa, zumeist junge moslemische Einwanderer der zweiten oder dritten Generation. Die meisten hätten sich Rebellengruppen der al-Qaida angeschlossen und fühlten sich dem globalen Dschihad verpflichtet. Schätzungsweise 8 bis 10% sind inzwischen umgekommen. Die Geschwindigkeit, mit der Kämpfer aus der ganzen Welt für den Dschihad in Syrien mobilisiert werden, übertrifft Rekrutierungsraten im Afghanistan- und Irakkrieg. Die Freiwilligen sickern hauptsächlich über die 900 km lange türkisch-syrische Grenze in das Land, begünstigt durch Passivität der türkischen Behörden und Kontrolle der Grenzübergänge durch die Rebellen.



Die Rückkehr von radikalisierten und kampferprobten Mudschahidin in ihre Herkunftsländer ist nach Erfahrungen von Afghanistan eine potentielle Bedrohung der internationalen Sicherheit; insbesondere für Westeuropa ist die Gefährdungslage hoch. Anders als in früheren Bürgerkriegen greifen nicht nur Sunniten, sondern erstmals auch schiitische Freiwillige in großer Zahl in die Kämpfe ein. Auf Regierungsseite kämpfen 7.000 bis 8.000 ausländische Schiiten, vor allem Soldaten der libanesischen Hisbollah, aber auch irakische Milizionäre, die beide Unterstützung vom Iran erfahren. Das ungefähr quantitative Gleichgewicht zeigt die religiöse Dimension des Konfliktes und seine Verschärfung durch den sunnitisch-schiitischen Gegensatz.
Die Türkei sieht sich an ihrer Grenze einem 3-Fronten-Krieg gegenüber:Vorrückenden islamistischen IS-Milizen (trotz internationaler Luftschläge und massiver Gegenwehr durch kurdische Kämpfer), Assads Regierungstruppen und kurdischen PKK-Freiheitskämpfern. Die Türkei, zweitgrößte Armee der Nato, lässt an der Grenze zu Syrien Panzer auffahren, um Stärke zu demonstrieren. Ankara will den Diktator Baschar al-Assad in Damaskus aus dem Amt jagen, sein Sturz ist politisches Ziel der türkischen Regierung unter der islamisch-konservativen AKP seit Beginn des Bürgerkrieges.
Erdogan hat die Terroristen zuerst an seinen Grenzen toleriert, hofft, dass sie Assad stürzen und die Kurden schwächen.



Nie zuvor aber ist so deutlich: die Türkei hat ein Problem mit den Kurden, das sich nicht aussitzen lässt.
Die PYD (Partiya Yekitîya Demokrat) ist eine kurdische Partei in Syrien und der PKK nahestehend.
Bei Gesprächen 2012 mit dem inhaftierten Abdullah Öcalan fordert die Türkei Rückzug der PKK vom türkischem Territorium und Entwaffnung, die Kurden verlangen kulturelle Rechte als ethnische Minderheit und politischen Sonderstatus, wollen auf staatliche Unabhängigkeit verzichten. Januar 2013 werden drei hochrangige weibliche PKK-Mitglieder in Paris ermordet (vermutlich Versuch von Hardlinern, Friedensverhandlungen zu sabotieren), Anfang März 2013 lässt die PKK 8 entführte türkische Sicherheitskräfte frei, Öcalan erklärt Waffenruhe und den Rückzug der PKK-Einheiten aus der Türkei, September 2013: PKK suspendiert Abzug, Spannungen zwischen kurdischen Protestierenden und türkischen Sicherheitskräften (Tod zweier Demonstranten). Dezember: PKK Kämpfer entführen 4 Soldaten der Türkischen Streitkräfte, diese starten groß angelegte Operation, wenig später werden Soldaten freigelassen.
Trotz des Friedensprozesses misstrauen Premier Davutoglu und Präsident Erdogan immer noch jeder Form kurdischer Autonomie und erlassen Waren-Embargo gegen die Kurdenenklave, Grenzer stoppen immer wieder kurdische Kämpfer, die nach Kobane streben. Kurden, ebenfalls misstrauisch, fürchten, türkische Soldaten könnten als Besatzer auftreten. Kobane und die umliegende Region ist einer der drei quasi autonomen kurdischen Kantone in Syrien. Im Juli 2012 vertreibt die kurdischen Volksmiliz YPG die Sicherheitskräfte des Assad-Regimes aus Kobane. Im November 2013 erklärt die PYD für die drei nicht zusammenhängenden selbst verwalteten Kantone eine Autonomie unter dem Namen "Rojava" (Westkurdistan). In den Kurdengebieten herrscht relativer Frieden, weshalb viele Menschen aus anderen Teilen Syriens, die IS erobert, dorthin fliehen.



Viele der aus Syrien flüchtenden Kurden fühlen sich von der amerikanischen Regierung verlassen. Warum schlägt das US-Militär IS nicht zurück - wie im Irak, als IS die Jesiden verfolgt? Vermutlich konzentrieren sich die USA vorrangig auf den Irak, weil sie sich dort als Helfer einer von ihnen anerkannten Regierung und durch sie aufgebauten Armee fühlen. In Syrien sieht Obama den dortigen Diktator als Gegner, am Boden kann er sich nicht auf eine verbündete Armee verlassen, sondern nur auf einige gemäßigte Rebellen. Obama will wohl den türkischen Verbündeten stärker in die Pflicht zu nehmen und betont, dass der Kampf gegen IS ein Problem aller Völker der Region ist.
Aber wenn der IS die Türkei auf ihrem Territorium angreift - IS giert danach, die Welt in die Schranken zu fordern - tritt der NATO-Bündnisfall ein, alle Mitglieder des Militärbündnisses sind dann in der Pflicht, auch Deutschland.



Prognosen?

IS hat lange Abschnitte der Grenze zur Türkei besetzt, über die schwer zu kontrollierend Nachschub, Rekrutierung und Handel der Miliz läuft. Landkrieg gegen den IS will kein Land führen, schon gar nicht als Partner Assads. Alle zögern, einzugreifen und überhäufen sich mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Kriegsziele sind nicht ersichtlich: Wohin geht Syrien? Alsternativen im Machtvakuum sind nicht auszumachen.
Westliche Strategie: IS muss bekämpft werden, aber daraus darf Assad keine Vorteile ziehen, die moderaten sunnitischen Assad-Widerstädler sind zu unterstützen. Assad hat sein Land in unglaublicher Gewaltbereitschaft den frei wirkenden Kräften der al-Qaida ausgesetzt, seine Bevölkerung mit Ölfässern aus Hubschraubern beworfen und mit Giftgas bombardiert. Der Zerfall Syriens in kurdisches, sunnitisches und ein drittes Gebilde (um die Hauptstadt Damaskus) scheint unaufhaltsam.
Die menschliche Katatrophe ist unbeschreiblich.



Dschihadisten aus Deutschland?

Der internationale Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wird auch auf deutschem Boden geführt, wo 6.200 Salafisten, Tendenz steigend, leben. Etwa 500 Dschihadisten brechen ins syrische Kriegsgebiet auf, Tendenz steigend. Was vielen von ihnen fehlt, besorgt der Heilige Krieg: Salafisten bieten Identität, Selbstvertrauen und klare Handlungsauafträge. Ihre Propagandisten verbreiten die Botschaft in Live-Filmchen auf Twitter, sie idealsieren das Lagerleben im Krieg, schwärmen nebenbei von der Enthauptung eines Feindes, alles direkt aufs Handy. Ihre jungen muslimischen Adressaten sind empfänglich, Underdog-, Ausgrenzungs- und Abwertungserfahrungen enthalten Gefährdungspotential, die Salafisten verheißen, sich zum Topdog hoch zu kämpfen, es geht mehr um radikale Subkultur statt um Glauben. Die Imame bieten Ersatz für das, was ihnen fehlt: glaubwürdige alternative Vorbilder ...



Kriegsverlauf

Die schreckliche jährliche Chronik ist in Wikipedia abzurufen:

2011

2012

2013

2014