Wladislaw Jurjewitsch Surkow -
der Magier im Kreml

2009 veröffentlicht er unter dem Pseudonym Dubowizkij (Name seiner 2. Frau) das Buch Nahe Null.
Er malt ein düsteres Bild Russlands und beschreibt schonungslos dessen Missstände.
2020, nach seinem Abgang aus dem Zentrum der Macht, erschent sein Essay Der langwährende Staat Putins, wo er die Staatsführung Putins als schick-salhafte Gesetzmäßigkeit darstellt.
Peter Pomerantsev: „Demokratische Rhetorik und undemokratische Absicht“.



Der 1964 in in Solnzewo, Oblast Lipezk geborene (alles Spekulation) Surkow ist 2011 bis 2013 Vize-Ministerpräsident in der russischen Regierung, und von da an bis Februar 2020 Berater des Präsidenten. Er bezeichnet sich selbst als einen der Autoren des Putinismus. 1983 bis 1985 Militärdienst, dann Dreher, Leiter Amateurtheater, Übersetzer, Master in Wirtschaftswissenschaften. Spricht fließend Englisch.
Erste Ehefrau Julia Wischnewskaja lebt mit seinem Sohn Artjom in London. 1998 Ehe mit Natalija Dubowizkaja, zwei Kinder.
2013 Rücktritt als Vize-Ministerpräsident nach Vorwurf Putins, man habe seine Dekrete nicht angemessen umgesetzt.
2014 setzen US-amerikanische Regierung und EU Surkow auf eine Sanktionsliste infolge der Ukraine-Krise, die ihm die Einreise in die USA und die Mitgliedsstaaten der EU verbietet. Präsident Poroschenko unterstellt Surkow, die Scharfschützen organisiert zu haben, die bei den Volksprotesten auf dem Maidan sowohl auf Demonstranten als auch auf Polizisten schossen.
2017 erscheint Surkow zum “Tag der Donbass-Veteranen” in Rostow am Don. 2018 analysiert er den Niedergang des „dekadenten Westens als einen Übergang der liberalen Demokratie in ein Matriarchat, im Gegensatz zum ‚von Gott geretteten‘ Russland“.
Aus abgehörten Gesprächen im Juli 2014 während der Strafermittlungen zum Abschuss des Flugs MH17 ergibt sich eine Befehlskette der regierungsfeindlichen Kräfte nach Russland, um mit hochrangigen Moskauer Funktionären wie Wladislaw Surkow zu kommunizieren. NZZ: „Die Mär vom Aufstand der Freiwilligen in der Ostukraine und Moskaus fehlendem Einfluss ist seit längerem entlarvt. Dass die obersten Funktionäre der selbsternannten ‚Volksrepubliken‘ Donezk und Luhansk regelmässig in Moskau ihre Direktiven abholen, ist kein Geheimnis.“
2020 Entbindung Surkows als Berater des Präsidenten, 2022 angeblich Hausarrest, weil er Gelder veruntreute, die für die ostukrainischen Separatisten gedacht waren.

Als Surkow Stellvertreter Putins wird, schreibt die NZZ unter der Schlagzeile
Putin ist von Gott und dem Schicksal geschickt worden:
"Trotz seines jugendlichen Aussehens hat Wladislaw Surkow sich in beständiger Arbeit den Ruf einer grauen Eminenz im Moskauer Politikbetrieb verdient. Der 47-jährige Verehrer von Wladimir Putin rückt jetzt zu dessen Stellvertreter im Regierungamt auf.
Surkow ist ein Strippenzieher des Systems Putins und der führende Kopf hinter dem Konzept der «gelenkten Demokratie», das in der Opposition seit den Parlamentswahlen vom 4. Dezember so vehement als Täuschung der Öffentlichkeit kritisiert wird.
Der 47-jährige Surkow machte aus seiner Verehrung Putins nie ein Geheimnis. «Putin ist von Gott und dem Schicksal geschickt worden, als Russland eine schwere Zeit durchmachte», sagte er im Juli.
Der Sohn eines Tschetschenen und einer Russin arbeitete bis 1996 für den unter Putin enteigneten und heute inhaftierten Ex-Ölunternehmer Michail Chodorkowski. In den letzten Monaten der Präsidentschaft von Boris Jelzin kam Surkow 1999 in den Kreml.
Dort blieb er auch nach der Einsetzung des Putin-Zöglings Medwedew 2008. Surkow stehe in ständigem Austausch mit Putin und Medwedew, sagt der im vergangenen Jahr in Ungnade gefallene Gleb Pawlowski, der als Präsidentenberater lange mit Surkow zusammenarbeitete: «Er ist für die Führung unentbehrlich.»
Schliesslich steht Surkow hinter dem Erfolg der Kreml-Partei 'Einiges Russland', die alle Institutionen und die Verwaltung des riesigen Landes durchdringt. Auch die Kreml-Jugend Naschi, die Putin gerne bei Grossveranstaltungen medienwirksam die Treue schwört, soll Surkow ins Leben gerufen haben."

Der jüngst erschienene Roman (2023) Giuliano da Empolis ist nichts weniger als der Schlüssel zum Verständnis unserer Gegenwart und des Angriffskriegs auf die Ukraine. Absolut lesenswert!
In Form eines nächtlichen Gesprächs, zu dem der französische Literaturwissenschaftler überraschend vom ehemaligen Putin-Berater Wadim Baranow (alias Surkow) eingeladen ist, erfahren wir mit dem Protagonisten viel Aufschlussreiches über die Aktivität des Kremls und Putins seit dem Mauerfall: So geht es um die zunehmende Macht der Medien, um die Unterschätzung des "grauen Funktionärs" Putin, und schließlich: um die gezielte Anstachelung verschiedenster Gruppen, um bewusst ein Chaos zu inszenieren, gegen das Putins "patriarchalisches" Modell gut aussieht, was uns entsetzt. Spannend, ohne dass Giuliano da Empoli ins Verschwörungstheoretische abdriftet - besser als jede Talkshow und viele Sachbücher.
Schockiernd Surkows Bericht, wie Putin auf den Untergang des Atom-U-Boot „Kursk“ (112 Mann Besatzung) am 12. August 2000 reagiert - er weilt zum Urlaub am Schwarzen Meer. Sieht auch nach Information keinen Anlass, dieses Amusement zu unterbrechen. Und am Ende der Geschichte der allseits altbekannte, erbärmliche Verweis: die - erlogene - Kollision mit einem NATO-U-Boot. Statt sich um das Land zu kümmern und es wirtschaftlich voranzubringen, überfällt er jetzt andere Länder. Sowjetimperialismus. Bedrohung durch die NATO. Verschrieben ganz den Kategorien des Kalten Krieges. Kein bisschen Fortschritt. Ewig Gestriges.

Die Personen und Ereignisse sind echt. Korruption, Kriminalität und Brutalität sind in Wirklichkeit noch schlimmer als im Buch. Der Aufstieg Putins vom Geheimdienstler bis zum ersten Mann im Staat erzählt Giuliano da Empoli flüssig und fesselnd, in Frankreich schon ein Bestseller und sicher bald auch bei uns ...