Rauher Kulm
Verhinderter Vulkan








Bei klarer Sicht erkennt der Reisende auf der Autobahn München-Berlin ein paar Minuten, bevor er die Wagnerstadt passiert, in ostsüdöstlicher Richtung einen markanten Kegel am Horizont.





Es ist der knapp 700 Meter hohe Rauhe Kulm in der Oberpfalz (zur Unterscheidung vom Rauhen Kulm in Niederbayern mit einer Höhe von 1000 Metern), ein Vulkan, der nie zum Ausbruch kam und dennoch wohl imposantester Basaltberg Bayerns. Er ist als Naturdenkmal unter Schutz gestellt. Der Universalhistoriker Georg Horn schreibt 1667 in seinem Werk Orbis Politicus: "Im Mittelpunkt Deutschlands steht er, alle Berge weit und breit überragend, gewissermaßen ein Weltwunder".
Kulminieren bedeutet den Höhepunkt erreichen und geht zurück auf das lateinische Verb culminare = gipfeln und culmen = Gipfel. Und das hat die bayerische Sprache übernommen: Mit Kulm bezeichnet sie eine abgerundete Bergkuppe.
Wir nähern uns dem Rauhen Kulm von Westen und erklimmen die letzten Höhenmeter zu Fuß - zwischen Feslsbrocken hindurch bis zum Aussichtsturm.













Woher dann also all die Basaltbrocken,
wenn der Vulkan nie "spuckte"?







Das Magma erstarrte, bevor es - aus 50.000 Metern Tiefe kommend! - die Erdoberfläche erreichte. Dann erodieren die umgebenden Gesteinsschichten weg, die freigelegten Basaltsäulen zerbrechen und hinterlassen das Trümmerfeld rund um den Gipfel.



Im Einzelnen:
Gegen Ende der Tertiärzeit steigt heiße, flüssige Lava in Verwerfungsspalten der Erdkruste auf, erreicht aber die Erdoberfläche nicht. Kurz vorher kommt es zu Explosionen, wobei das in der Lava enthaltene Wasser in Form von Wasserdampf aus dem Krater hervorschießt.
Die Lava erkaltet und verfestigt sich über lange Zeiträume zu vulkanischem Gestein. Die Lava gelangt nicht in die Umgebung, sondern im Vulkanschlot (Diatrem) bildet sich ein harter Basaltpfahl, der von weicheren Gesteinen umgeben ist.
In weiteren langen Zeiträumen verwittert das weichere Gestein der Umgebung, der harte Basalt bleibt weitgehend bestehen und bildet die heutige kegelartige Form: den so genannten Vulkanstiel, der aus der umgebenden Landschaft herausmodelliert ist.

Beim grauen, kompakten Vulkangestein des Rauhen Kulms handelt es sich um Nephelinbasalt. Er ist nur an wenigen Stellen säulenförmig, meist ist er in Brockenform ausgebildet.

In diesem Basalt ist auch Magnetit enthalten, ein metallisches, schwarzblaues Mineral, das reichste Eisenerz und stark magnetisch. An größeren Magnetitvorkommen werden sogar Kompassnadeln abgelenkt. Magnetitkristalle kommen auch im Gewebe von Tieren vor, sie sollen beim Orientierungsvermögen von Zugvögeln eine Rolle spielen,

Und dann kommt auch sofort der Mensch auf den Kulm.
Der Erforscher des Rauhen Kulm, Adalbert Neischl, entdeckt 1910 jungsteinzeitliche Feuersteingeräte, Keramik aus den Metallzeiten und dem Mittelalter und - Sensation - eine bronzezeitliche Kugelkopfnadel.









Knapp unterhalb des Basaltfeldes umgab ein Ringwall den Fuß des Kegels. Er ist wegen des Basaltabbaus im späten 19. Jahrhundert nur noch in Resten vorhanden. Archäologische Grabungen 2004 bis 2007 ergeben, dass der Wall ursprünglich als Mauer aufgeschichtet war.



Aus den gefundenen Scherben lässt sich die Mauer mit der dahinter liegenden Siedlung in die Zeit der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert datieren.
Später befindet sich auf dem Kulm eine Burg, die Burggraf Friedrich III. von Nürnberg einschließlich der dazugehörenden Orte 1281 vom Landgrafen von Leuchtenberg erwirbt. Im Zweiten Markgrafenkrieg nehmen Nürnberger Truppen die Burg ein und zerstören sie.





Westlich es Rauhen Kulms erhebt sich der Basaltkegel des Kleinen Kulms (im Volksmund "schlechter Kulm") und dazwischen liegt das Städtchen Neustadt am Kulm mit gut 1000 Einwohnern. Newenstat zwischen den Kulmen hieß es früher. Im Gegensatz zum Rauhen Kulm verfügt der Kleine Kulm über einen Tuffmantel (Diatrembrekzie). Von seiner ursprünglichen Form ist kaum etwas erhalten. Der Basalt ist abgebaut (den Tuffmantel ließ man stehen) und die Bebauung reicht dicht an die bizarre Felsgruppe heran.
Dreißigjähriger Krieg, die Pest und Luftangriffe amerikanischer Bomber haben die Stadt schwer mitgenommen. Vom historischen Stadtkern ist wenig übrig geblieben.



Landschaftsprägende Erhebungen beflügeln zu allen Zeiten die Fantasie der Menschen.
Die Legende besagt, dass zwischen Pressath und Eschenbach eine große Slawenstadt namens Mirga existierte. Die Vulkanausbrüche sollen sie, wie Atlantis und Vineta, ausgelöscht haben.
Die Ritter der Burg sollen im Brunnen eine silberne Glocke versenkt haben, die nie mehr wiedergefunden wurde.
Und auf den Bäumen dort lebt ein Berggeist, der die Bäume vor Baumfällern beschützt.

Der Aussichtsbalkon des dreieckigen Turms
in interessanter Holz-
Eisenkonstruktion bietet
grandiose
Fernblicke auf
das Fichtelgebirge,
die Fränkische Alb
und
die nördliche Oberpfalz.










Wer gute Sicht und ein Fernglas hat,
kann sogar den Regensburger Dom ausmachen.
Und bis zu der Stadt, die einst den Namen von Karl Marx trug
und dessen überdimensionaler Schädel sie noch heute ziert,
sind es Luftlinie 138 Kilometer; aber das ist ein anderes Fundstück ...