![]() Ashraf Ghani Ahmadsai Tagesschau 21.9.2014 |
Afghanistan total gescheitert ![]() |
Afghanistan ist Dauer-Kriegs-Schauplatz. ![]() Salang-Pass; rechts hinten Lkw-Abgaswolke
Seit 2004 ist Afghanistan eine islamische Republik, seine Hauptstadt Kabul, wo seit September 2014 Ashraf Gani als Staatsoberhaupt regiert. |
80% seiner Einwohner leben auf dem Land, die Bevölkerung besteht aus einer Vielzahl ethnischer Gruppen und Stämme,
eine Kategorisierung ist schwierig, weil Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung unterschiedlich sind.
![]() Durand-Linie
die Grenze zwischen Afghanistan und Britisch-Indien, sie durchtrennt das Siedlungsgebiet der Paschtunen, 1898 erhält Afghanistan Süd-Turkestan zugesprochen und damit seine Nordgrenze.
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1933 besteigt ein 19-jähriger Prinz den Thron. Sicherheitspolitisch schließt sich Afghanistan mit Irak, Iran und Türkei auf gegenseitiger Nichtangriffsbasis gegen die Sowjetunion zusammen, Offiziere der Nazi-Wehrmacht modernisieren die Armee, die Deutschen reorganisieren Polizei und Geheimdienst, sind in der gesamten landwirtschaftlichen und industriellen Planung, im Ausbau des Straßen-, Erziehungs- und Ausbildungswesens federführend; zu Beginn des 2. WKs erklärt Afghanistan sich für neutral.
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Dauerkrieg
Russisch-Afghanischer Krieg (1979 bis 1989) ![]()
1979 marschieren sowjetische Truppen ein. Trotz waffentechnischen Überlegenheit gelingt es ihnen nicht, den Widerstand der verschiedenen islamischen Gruppen (Mudschaheddin) zu brechen, die letzten Truppen verlassen 1989 das Land. Die Widerstandskämpfer siegen mit der schon in den Afghanisch-Britischen Kriegen praktizierten Guerillataktik (Vermeidung offener Feldschlachten), der Unterstützung aus Pakistan, Saudi-Arabien, USA
(sie liefern chinesische Waffen für die Mudschaheddin!) und Söldnern (die sich nach Kriegsende im Land festsetzen) aus orthodoxen islamischen Ländern (wie Saudi Arabien).
![]() ![]() Ahmad Schah Massoud ("Löwe von Pandjschir") und Abdul Raschid Dostum Kabul. Nach Gründung des Islamischen Staats Afghanistan 1992 im Friedensvertrag von Peshawar (Vereinbarung verschiedener afghanischer politischer Parteien, Peshawar Accords), beginnt Gulbuddin Hekmatyār, radikaler fundamentalistischer Moslem, mit Unterstützung Pakistans einen jahrelangen Krieg in Kabul gegen den Islamischen Staat, der weite Teile Kabuls zerstört. Des weiteren kommt es zum grausamen Krieg zwischen verfeindeten Milizen. Der Süden Afghanistans gerät völlig außer Kontrolle, Stammesführer oder lokale Milizen herrschen hier. 1994 treten erstmals ![]() die Taliban
in Kandahar Erscheinung. Die Bewegung stammt ursprünglich aus religiösen Schulen für afghanische Flüchtlinge in Pakistan, die die Macht in verschiedenen südlichen und westlichen Provinzen übernehmen.
![]() Islamische Emirat Afghanistan,
welches lediglich von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt wird.
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Operation Enduring Freedom, Bürgerkrieg (1989 bis 2001) |
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Tödliche teure Mission ![]()
Deutsche Bundeswehrsoldaten sind unter lebensgefährlichen Bedingungen seit 2001 am Hindukusch im Einsatz. Ihre Mission: Stabilität und Demokratie im Norden Afghanistans schaffen und den Wiederaufbau unterstützen. Doch die Sicherheitslage im kriegszerstörten Land ist desaströs - immer wieder gibt es Tote und Verletzte.
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Die Neo-Taliban verdienen Hunderte von Mill. US-$ mit Drogen. Placido im US-Senat: "Die Taliban besteuern Opiumfarmer, Opiumhändler und Laboratorien, in denen Opium zu Heroin verarbeitet wird, sowie Händler, die durch von Taliban kontrollierte Gebieten reisen. Außerdem sammeln sie Spenden von Drogenhändlern und verkaufen selbst Drogen, um Waffen und Munition für ihren anhaltenden Kampf gegen die US-geführten Truppen in Afghanistan finanzieren zu können."
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Getötete Zivilisten: unbekannt. Geschätzt 2003: 3100 bis 3600, für zwei Drittel der Opfer sind Aufständische verantwortlich. |
Verteidigen wir unsere Freiheit auch am Hindukusch? ![]()
"Gerechten Krieg" gibt es nicht, die Schwächeren leiden zuerst. Zivilisten – Frauen, Kinder, Alte – sind immer die Opfer. Kein Krieg macht dabei eine Ausnahme, das ist die Tragödie. Die Konfliktparteien kämpfen nicht nur gegeneinander, sondern ziehen immer auch Unbeteiligte hinein.
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Richtig ist aber auch: Mit jedem unschuldigen Opfer in Afghanistan wachsen Verzweiflung und Wut, und immer mehr Männer und Frauen schließen sich radikalen Gruppen an und sind zu terroristischen Anschlägen bereit. Dass mit der deutschen Beteiligung am Krieg in Afghanistan in Deutschland die Schleusen zu einer Militarisierung der Außenpolitik endgültig und weit geöffnet wurden, ist ein überzogenes Bild. |
Zukunft ![]()
Der Vorsitzende des auf Anregung der Friedens-Dschirga gegründeten Hohen Friedensrates Burhanuddin Rabbani wird am 20. September 2011 durch einen Selbstmordattentäter getötet.
![]() Taliban-Sprecher Syed Tayyab Agha,
Frank Ruggiero vom US-Außenministerium, Jeff Hayes vom Nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten und ein Vertreter der katarischen Herrscherfamilie anwesend. ![]()
Ein unerwartetes Phänomen der Afghanisierung ist das, was Militärs "Green on Blue" nennen, der gezielte Beschuss durch verbündete afghanische Soldaten oder Polizisten, allein 2012 haben "Green on Blue"-Attacken 12 ISAF-Soldaten getötet. Nach dem Mord an zwei US-Offizieren im afghanischen Innenministerium Ende Februar 2012 (offensichtlich Reaktion auf die Koran-Verbrennung durch amerikanische Soldaten) stellt die Bundeswehr vorübergehend das Partnering ein.
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Progressiver Denker und Demokrat. Seine rechte Hand ist - wie er sagt - nicht besudelt von Korruption und seine linke Hand nicht mit Menschenblut. Er will die afghanische Jugend gewinnen, setzt sich für Frauen und Minderheiten ein, hat die Unterstützung lokaler Stämme aus Nord und Süd und eine globale Vision für sein Land, den Übergang in eine Ära der Kooperation mit der weltweiten Völkergemeinschaft.
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Wir sind in allem gescheitert, militärisch und in der Entwicklungshilfe.
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Die Taliban haben große Teile des Landes wieder unter ihrer Kontrolle.
Der diplomatische Einfluss Deutschlands ist so gering wie noch nie. Im Mai fällt das Gebäude der Botschaft
einem Anschlag zum Opfer. Nur noch fünf Diplomaten sind im Land verblieben, sitzen in der US-Botschaft.
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Zehn Milliarden € flossen seit 2001 in seinen "Stabilisierungseinsatz". Es waren zu Spitzenzeiten 16.000 Soldaten,
geblieben sind 980. Nur ein einziges Mal hat die Bundeswehr gekämpft, ein halbes Jahr in Kundus, wo sie sich
als wenig gefechtsfähig erwies. US-Truppen haben sie rasch wieder abgelöst. Hochrangige afghanische Politiker spotten
über die deutsche Armee. Dass sie zu kämpfen verlernt habe. Deutsche Kommandeure stellen die Sicherheit
ihrer Soldaten über die Sicherheit des Landes. Mittlerweile haben
sie sich in ihrem Camp bei Masar-i-Scharif völlig eingeigelt. Die meisten Soldaten sehen während ihrer Zeit
keinen einzigen Afghanen. Unsere Offiziere, die den Krieg nur aus Simulationen und vom oberpfälzischen
Truppenübungsplatz kennen, beraten den einheimischen Generalstab in Sachen Kriegsführung.
![]() ![]() ![]() Doch in Berlin denkt niemand um. Eine Handvoll Außenpolitiker bestimmt seit Jahren die deutsche Afghanistanpolitik, und sie machen weiter wie bisher. Immer mehr Experten fordern von der Bundesregierung ein Innehalten, einen Kassensturz, es anderen Geberstaaten gleichzutun und ihre bisherige Entwicklungsarbeit von unabhängigen Instituten überprüfen zu lassen. Es wäre höchste Zeit. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zahlt auch dieses Jahr wieder über hundert Millionen € für Projekte, die deutsches Personal aus Sicherheitsgründen nicht in Augenschein nehmen kann. Wie die Bundeswehr hat sich die GIZ so gut wie ganz aus dem Land zurückgezogen, ihr Personal drastisch reduziert. Ihre Mitarbeiter bleiben nur noch wenige Tage am Stück in Kabul, bevor sie wieder nach Dubai ausgeflogen werden. Aus Sicherheitsgründen. Ihr einziger verbliebener Stützpunkt in Kabul liegt hinter meterhohen Schutzwällen. Die GIZ besitzt ein erfahrenes Team aus afghanischen Mitarbeitern, die sie, gefangen in ihrer Festung, allerdings kaum mehr kontrollieren kann. ![]() Immer mehr geht der Sinn dafür abhanden, was vor Ort tatsächlich passiert. Lokale Expertise. Wissen, welche Veränderungen unser Geld wirklich auslöst. Geld wird in Ländern wie Afghanistan rasch zu Gift. Falsch platzierte Hilfe hat in diesem Land viele Konflikte angeheizt oder gar erst ausgelöst. Indem Hilfsorganisationen ihre Mitarbeiter abziehen, verlieren sie das Wichtigste: persönliche Kontakte, das Flechtwerk aus Vertrauen und Beziehungen, das die Arbeit dort erst möglich macht. ![]() Der typische Krisenhelfer, der in Afghanistan vor Ort ist, arbeitet dagegen rund um die Uhr, ist jung, verfügt über keinerlei Kontakte, ist maximal ein Jahr lang auf seiner Stelle, wovon er nur ein halbes Jahr tatsächlich im Land verbringt. Er spricht keine der Ortssprachen. Er hat oft nur eine geringe kulturelle Vorerfahrung. Er ist vollkommen vom lokalen Team abhängig. Er hat keine Chance, mögliche politische Fehlentscheidungen und Korruption aufzudecken, wenn sich das Team bei Fehlern gegenseitig deckt. Der Krisenhelfer ist ganz mit der bürokratischen Dimension seiner Arbeit beschäftigt. Er darf so gut wie nie seine gesicherte Unterkunft verlassen. Jeder seiner Schritte ist durch nicht immer sinnvolle Sicherheitsregeln aus Deutschland reglementiert. ![]()
Sind wir also in Afghanistan wirklich am Ende? Afghanistan lässt sich nicht einfach mit einer Mauer einfrieden und isolieren. Wollen wir verhindern,
dass das Elend und der Hass dieses Landes auch nach Deutschland geworfen werden, dass in den engen Tälern von Nangahar und Nuristan neue
Radikalisierungsbewegungen aufkeimen, der Nachbar Pakistan in den Sog des Chaos gezogen wird und am Hindukusch erneut irgendwann die Supermächte
aufeinanderprallen, können wir dem Problem Afghanistan nicht ausweichen. Früher oder später wird es uns einholen.
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Ernsthaftigkeit. Wir erlagen in der Vergangenheit der Illusion, ein Land grundlegend umbauen zu können, das wir kaum verstehen. Bevor wir in
Afghanistan etwas verändern, braucht es Veränderungen bei uns.
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